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War Kant Deutscher?
Christa Tamara Kaul - Mai 2019
Mit der Identität ist das so eine Sache – zwar hat wohl jede und jeder eine. Aber sie zu definieren ist schwer – meistens jedenfalls. Dass die Themen deutsche Identität und Patriotismus in Deutschland – mal wieder – hoch im Kurs stehen, ist dem prekären Umgang damit seitens einiger stramm Rechter und deren links entrüsteter Antipoden zu verdanken.
Oben: Titelfoto des Internetauftritts der Deutschen Bahn: Abbildung der deutschen Gesellschaft?
Unten: Alternativvorsschlag der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)
In einem 3sat-Beitrag aus dem Jahr 2006
definierte Arnulf Baring, Politikwissenschaftler
und Historiker, den Unterschied zwischen Volk
und Nation so: Ein Volk ist naturgegeben, in
dessen Zugehörigkeit wird man hineingeboren.
Eine Nation dagegen basiert auf dem Willen der
sich in ihr zusammenschließenden Menschen. Sie
kann man sich – zumindest theoretisch –
aussuchen. Und dazu bekennen. Was gemeinhin als
Patriotismus bezeichnet wird und nicht mit
Nationalismus zu verwechseln ist. Der Begriff
kommt von „patria“, Vaterland, und bedeutet die
gemeinsame Verantwortung für eine territorial
umgrenzte Gemeinschaft. „In meiner Sicht“, so
Bahring, „schließt sie auch alle diejenigen
Ausländer ein, die sich zu unserer Sprache,
unserer Geschichte und Kultur bekennen, sich in
sie integrieren. Ich glaube, es ist
selbstverständlich, dass wir als Deutsche nicht
nur diejenigen definieren wollen und können, die
deutscher Abstammung sind. Wer zu uns kommt, auf
Dauer bleiben möchte, darf, soll, ja muss –
nicht sofort, sondern im Laufe der Jahrzehnte –
zum Deutschen werden. Nur dann kann die
Integration gelingen, die Entstehung einer
isolierten – und damit latent feindseligen –
Parallelgesellschaft verhindert werden.“ Und nun auch noch das – die Affäre zwischen Deutscher Bahn und Freiburgs Oberbürgermeister Boris Palmer wegen einer Werbekampagne mit "Volksdarstellung". Was die Bahn-Werber dabei bewogen haben könnte, lässt sich allenfalls vermuten: Vielleicht wollten sie die „Weltoffenheit“ ihres Unternehmens vorbildlich plakatieren und bildeten deshalb „die deutsche Gesellschaft“ ausschließlich „bunt“, also migrationshintergründig ab. Was sie definitiv - zumindest noch - nicht ist. Wenn es der Bahn also darum ging, einen tatsächlichen Querschnitt "unserer bunten" Gesellschaft zu zeigen, dann ist das misslungen. Denn die durch Bildauswahl aufgedrängte Aussage ist ebenso daneben gegriffen wie der Gaulandsche „Vogelschiss“ der deutschen Geschichte. Mit einer solchen komplementären Idiotie von rechts und links und/oder schlichter Denkunfähigkeit muss die – noch – denkfähige Mehrheit der Gesellschaft verantwortungsvoll, d.h. ausgleichend umzugehen lernen.
Mit exzellenter Ironie reagierten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf die Diskussion, indem sie das gegenseitige Gegacker ins Lächerliche zogen. In einem Facebook-Post bot das Unternehmen Fotos von der TV-Maus, der Comicfigur Spongebob Schwammkopf und Actionheld Spiderman, jeweils auf den Sitzen von U- und Straßenbahn an. Sozusagen als Alternative zur Gesellschaftstypologie der Deutschen Bahn.
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© Christa Tamara Kaul