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Verschwörungstheorien ~
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auf
Teufel komm heraus
von Christa Tamara Kaul - Januar 2021
Schon lange nichts mehr vom Teufel gehört? Kein
Wunder, denn aus der kirchlichen Verkündigung
ist er weitgehend verschwunden, sozusagen in
Ungnade gefallen – wenn man mal die Experten von
Radio Maria beiseite lässt. Aber kein Problem,
erstaunlich viel besorgte Mitmenschen in aller
Welt helfen da gern aus. Sie haben sich der
Enttarnung finsterer Mächte angenommen und
warnen uns vor jeder Menge satanischer
Verschwörungen.
Und – nicht zu
vergessen - auch innerhalb der Kirche gibt es
Verschwörungsspezialisten, allen voran die
diversen nationalen Versionen von Radio Maria. Die Pandemie
sei ein Komplott der globalen Eliten, eine Welt
des Satans (sic: da ist er ja doch noch), in der
wir alle zu Zombies würden, erklärte etwa Pater Livio Fanzaga Ende letzten Jahres.
Das ließe sich ja noch mildtätig
überhören, wäre der 80-Jährige nicht Direktor
des erzkatholischen Radio Maria, einem der
einflussreichsten Sender
Italiens, der den Papst immer wieder gehörig nervt. Das
alles muss man erst mal verdauen. Dagegen sind
die Querdenker (… hm, auch der Name fängt mit
einem Q an …) und Alu-Hut-Träger auf unseren
Straßen schon fast ein niedliches Völkchen.
Grundsätzlich ist der Tenor jedoch bei all
diesen „Besorgten“ und „Rufern in der Wüste“ der
gleiche, dass nämlich „das Volk“ von den
Herrschenden, allen voran von den Regierungen,
ständig belogen, überwacht und manipuliert
werde. Wobei – und das ist daran das Verblüffendste – die Einstellung von absolutem
Misstrauen und grundsätzlicher Skepsis gegenüber
der Realität paradoxerweise gleichzeitig mit
einem bedingungslosen Vertrauen in die
unglaublichsten Gerüchte und „alternative
Fakten“ einhergeht. „Totale Skepsis räumt hier
gewissermaßen das Terrain frei und bereitet den
Boden, auf dem totale Leichtgläubigkeit
ungehindert wuchern kann“, formulierte es
Michael Mertes treffend in den „Stimmen der
Zeit“ (11/2020). Wer so denkt, versteht ganz
offensichtlich die ihn umgebende Welt nicht mehr
– und findet in den kruden Erzählungen der
Verschwörungsmythen simple Darstellungen eines
vermeintlichen Feindes, dem die Schuld für alles
Ungemach und Unglück in die Schuhe geschoben
werden kann. „Für viele Leute ist das eine
emotionale Erleichterung und gibt ihnen das
Gefühl der Kontrolle zurück“, meinte dazu etwa
Giulia Silberberger in ihrem Podcast „Smarter
leben“. Es hilft in Krisenzeiten, wie es
eben auch die gegenwärtige Corona-Pandemie ist,
manchen in ihren Ängsten und Einschränkungen
offenbar weiter.
Einen der Gründe für die generelle Zunahme von
Verschwörungstheorien
in den letzten Jahren
sieht Mertes vornehmlich in dem weltweiten Vordringen
identitätspolitischer Denkweisen, also in einer
so genannten Tribalisierung der Gesellschaften
und der Politik. Soll heißen: Politik ist immer
weniger die zivilisierte Auseinandersetzung um
konkurrierende Problemlösungen, Werteprioritäten
und Visionen, sondern wird zunehmend ein mehr
oder minder aggressives Gegeneinander von
ethnisch, religiös oder kulturell definierten
Gruppen.
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© Christa Tamara Kaul