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Tierschutz versus Religionsfreiheit
Vom blutigen Handwerk der Metzger
Von Goedart Palm
Menschliche Stammzellen und geschächtetes Lammfleisch besaßen bis vor kurzem eine kleine Gemeinsamkeit - beide waren auf Grund der Rechtslage Importartikel. In Deutschland lebende Moslems importierten geschächtetes Fleisch aus Nachbarländern, nachdem hier zu Lande das Bundesverwaltungsgericht 1995 das Schlachten ohne Betäubung für unzulässig erklärt hatte. Hans Wüst, Geschäftsführer der Lammschlachterei und Fleischgrosshandel Wüst GmbH, erregte sich über verheerende Umsatzrückgänge von 30 bis 40 Prozent seit Juni 1995. Wirtschaftliche Gründe waren indes für das Bundesverfassungsgericht nicht maßgeblich, das Schächtverbot nun neu zu interpretieren.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.01.2001 (1 BvR 1783/99) muss gebührend berücksichtigt werden, dass bestimmten Religionsgemeinschaften innerhalb des Islam das Verzehren von geschächtetem Fleisch vorgeschrieben ist. Tierschutz versus Religionsfreiheit war also das Leitmotiv dieser Entscheidung.
Das Bundesverfassungsgericht prüfte die im Tierschutzgesetz vorgesehene Ausnahmegenehmigung über das betäubungslose Schlachten am Maßstab der verfassungsrechtlich gewährleisteten Religionsfreiheit. Die Hüter der Verfassung kamen zu dem Schluss, dass die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung von 1995, es gäbe keine für den gesamten Islam geltende, zwingende Vorschrift, nicht ausreichend sei, das Schächten zu verbieten. Abzustellen sei vielmehr auf das Selbstverständnis der konkreten islamischen Religionsgemeinschaft.
Der türkische Beschwerdeführer ist ein strenggläubiger sunnitischer Muslim, der in Hessen eine Metzgerei betreibt. Für die Versorgung seiner muslimischen Kunden erhielt er bis Anfang September 1995 Ausnahmegenehmigungen für das Schlachten ohne Betäubung, weil er nach seinem Religionsverständnis das Schächten für zwingend geboten hielt. Er fühlte sich durch die Versagung der Ausnahmegenehmigung allerdings nicht nur in seiner Religionsfreiheit beeinträchtigt, sondern auch ungleich behandelt, da jüdische Metzger wegen ihrer Glaubensüberzeugung Ausnahmegenehmigungen erhielten. Ein historisch dunkles Kapitel! Mit dem Nationalsozialismus wurde der Zwang, warmblütige Tiere vor der Schlachtung zu betäuben, gesetzlich eingeführt, um den jüdischen Bevölkerungsteil in seinen religiösen Empfindungen und Gebräuchen gezielt zu verletzen. Gerade im Blick auf diese Verletzungen der jüdischen Religionsfreiheit ist dem religiösen Gebot des Schächtens durch die Ausnahmeregelung des Tierschutzgesetzes ausdrücklich Rechnung getragen worden.
Fraglich ist aber, ob die Abwägung des Bundesverfassungsgerichts zwischen dem Zweck des Tierschutzgesetzes und der Religionsfreiheit überhaupt sinnvoll ist. Denn die Tötung von Tieren durch Schächtung könnte humaner sein als die Betäubungspraxis. Nach Ansicht des Deutschen Tierschutzbundes erleiden zwar Schlachttiere beim betäubungslosen Schlachten mehr und stärkere Schmerzen als bei der konventionellen Schlachtung. Muslime sehen das aber fundamental anders. Das Ziel des Schächtens sei gerade, die Tiere weitgehend schmerzfrei zu töten. Der Schächtschnitt soll mit rasierklingenscharfen Messern geführt die Speiseröhre und beide Halsschlagadern durchtrennen.
Wie der Zentralrat der Muslime in Deutschland ausdrücklich erklärte, ist gerade der Tierschutz im Islam Teil der Glaubenslehre. Auch die jüdische Schächtungspraxis ist im Blick auf Tierschutzkriterien besonders streng. Nur ein ausgebildeter Schächter darf unter Berücksichtigung der genannten Vorkehrungen rituell schlachten. Anderenfalls gilt das Fleisch als unkoscher. Es liegen Untersuchungsergebnisse vor, dass die übliche Betäubung mit Elektroschocks Muskelblutungen und Blutergüsse bei Tieren hervorruft, die mit erheblichen Stressreaktionen einhergehen. Dem Deutschen Tierschutzbund werfen daher die Apologeten des Schächtens vor, dass allein ihre Tötungsmethode tiergerecht sei. Beim Schächten bliebe das Tier nach dem Schnitt für mehrere Sekunden völlig ruhig. Die Verteidiger dieser Schlachtungsmethode sind überzeugt, dass das Tier den Schmerz nicht empfinde, weil es mit der im Gehirn eintretenden Blutleere unempfindlich für alle Empfindungen werde.
Wenn es so wäre, wäre das deutsche Tierschutzgesetz revisionsbedürftig, ohne noch länger intrikaten Verfassungsinterpretationen folgen zu müssen. Nach dem gesetzlich verankerten Tierschutz soll das Tier als Mitgeschöpf des Menschen in seinem Leben und Wohlbefinden geschützt werden. Wie schon der Volksmund weiß, darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Nun reicht der vollmundige Tierschutz bekanntlich nicht allzu weit. So dürfen Tiere etwa gejagt werden, "wenn dabei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen". Waidmanns Heil, nicht immer reicht es bei St. Hubertus zum erlösenden Blattschuss.
Aber sowohl in dieser archaischen Methode des Tötens sind vermeidbare Schmerzen genau so angelegt wie in der Unkultur der Massentierschlachtung, der Legebatterien, der geschundenen "guinea pigs" der Pharmaforschung. Millionen gefolterter Tiere widersprechen den vorgeblichen Zielen eines ethischen Tierschutzes. Bei unserem Umgang mit Tieren handelt es sich um den Ausdruck einer gesellschaftlich tradierten Barbarei, die Mitgeschöpflichkeit vornehmlich auf dem Papier kennt, ohne wie frühere Generationen noch etwa darauf rekurrieren zu können, Fleischproduktion unter diesen Umständen wäre überlebensnotwendig.
Radikaler
Tierschutz
wäre
transkulturell
zu
definieren
-
etwa
mit
Montaigne:
"Selten
fange
ich
ein
lebendiges
Tier,
das
ich
nicht
sogleich
wieder
freilasse.
Pythagoras
pflegte
die
Beute
der
Fischer
und
Vogelfänger
zu
kaufen,
um
dasselbe
zu
tun."
Aber
so
viel
Ethik
können
sich
Fleisch
fressende
Kulturen
eben
nicht
leisten.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Telepolis
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© Christa Tamara Kaul