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Apple, Facebook, Google und Co.


Wie Netzgiganten Verlagen das Werbewasser abgraben


 

Christa Tamara Kaul  | 06.07.2010

 


Die Relation von Qualität und Quote zählt zu den thematischen Dauerbrennern nahezu aller Mediendiskurse. Das Gleiche gilt für die Regulierung im Netz, den Datenschutz und den Wettstreit um die Endgeräte. Ebenso virulent – aber von der breiten Öffentlichkeit bestenfalls randständig wahrgenommen – ist der Kampf von Verlagen und anderen Inhaltsanbietern um die Hoheit über ihre Inhalte und das heißt ums Überleben.

„Wir, die Medien, machen aus allem einen Hype, müssen alles dramatisieren“, bekannte kürzlich Josef Joffe, Mitherausgeber der „Zeit“, im ARD-Presseclub. Anlass zu dieser Bemerkung war die Wahl des neuen Bundespräsidenten. Es hätte genau so gut auch jedes andere von den Medien behandelte Thema sein können. Oder etwa nicht? Muss denn nicht tatsächlich alles dramatisiert werden?

Offensichtlich muss es – denn das ist der Preis für das Ringen um die Aufmerksamkeit von Lesern, Zuschauern und Nutzern, also wegen möglichst hoher Auflagen und Quoten. Und das wiederum heißt, wegen der Werbeerlöse, die die Existenz garantieren. Die aber sind besonders für die traditionellen Verlage zunehmend schwerer zu erreichen, denn Leser und Online-Nutzer haben sich nicht nur zu mehr oder minder unstet herumschweifenden Wesen gewandelt, sondern vor allem auch zu immer schwerer erkennbaren Größen. Sie zu erfassen gleicht zunehmend dem Stochern im Nebel.

Dieser Nebel verdichtet sich. Früher kannten die Verlage sowohl ihre Leser als auch ihre Werbekunden recht gut mittels direktem Kontakt. Freundschafts- und Abonnentenwerbung sowie eine solide Marktforschung waren gute Instrumente, um die Leser, anfangs auch Online-Nutzer, bestimmten soziodemographischen Gruppen zuzuordnen. So konnten nicht nur passende Themen behandelt, sondern ihnen auch gezielt neue Produkte angeboten werden. Darauf basierend konnten Anzeigenkunden mit einer anonymisierten, verlässlichen Media-Analyse gewonnen werden. So lief das Druckgeschäft in der analogen Medienwelt. Doch in der digitalen?

Da sieht es deutlich unerfreulicher aus. Zwar ist das Motto „Zeitung neu denken“ und dabei über Strategien zu diskutieren, wie dem Abwärtstrend der wegbrechenden Leser- und Werbemärkte begegnet werden kann, nicht verkehrt. Ganz im Gegenteil. Deshalb war das auch einer der Schwerpunkte beim
Medienforum NRW 2010 in Köln. Und es sind durchaus etliche Wirtschaftsmodelle im Gespräch, um Zeitungen eine Zukunft zu ermöglichen. Etwa die Abschaffung der Mehrwertsteuer für Print-Produkte – so wie Frankreich. Auch könnten Zeitungen beim Versand wie Post-Produkte behandelt und werbefinanziert, also kostenlos vertrieben werden. Die Chancen werden dabei wohl im Versuch- und Irrtum-Verfahren ausgelotet werden müssen.

< Doch die wirklich zukunftweisenden Auswege aus der Krise müssen nolens volens im Online-Geschäft gefunden werden – ganz grundsätzlich, denn es gibt kein Außerhalb des Netzes mehr. Dumm nur, dass alle Versuche des digitalen Publizierens dort zu allererst einmal kollidieren, und zwar einerseits mit der – zumindest auf absehbare Zeit noch herrschenden – Kostenlos-Kultur und andererseits mit denen, die dort schon längst gutes Geld verdienen und in mehrfacher Hinsicht um Nasenlängen voraus sind.

Es sind die Netzgiganten wie Apple, Facebook, Google und Co. Sie bestimmen mittlerweile weitgehend die Musik, nicht zuletzt deshalb, weil sie das Medienverhalten von Lesern und Nutzern längst besser kennen als die Verlage selbst. Sie sind längst in die Rolle der Zwischenhändler zwischen Endkunden und Anzeigengeschäft geschlüpft. Dabei profitieren sie von den Inhalten der Verlagshäuser. Denn die ansehnlichen Werbeeinnahmen können Suchmaschinen und deren Nachrichtenportale nur aufgrund der im Netz zu findenden Inhalte erzielen. Die aber stammen eben größtenteils von Verlagen. Und diverse Netzwerke sammeln persönliche Daten und werten sie werbewirksam aus, was die Verlage in dieser Breite nicht könnten. "Wir werden schleichend enteignet", donnerte denn auch dementsprechend Hubert Burda schon vor ziemlich genau einem Jahr und forderte einen ordentlichen Happen vom üppigen Google-Gewinnkuchen.

Apple, Facebook, Google und Co.: Wegelagernde Duodezfürsten?

Doch wie den herrschenden Duodezfürsten in den Paralleluniversen der Online-Giganten Paroli bieten?

Spätestens seit das iPad auf dem Markt ist, sehen Verlage in Apple einen vielversprechenden Partner im Bereich Paid Content. Das Unternehmen bietet ein geschlossenes Netz und darin Drittanbietern die Möglichkeit, Inhalte und Anwendungen gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen. Bei weltweit etwa 150 Millionen Kundenkonten in den Bereichen App Store, iTunes und iBookstore keine schlechte Perspektive. Zumal Apple-Kunden gemeinhin als recht solvent gelten.

Allerdings, sofern über Apples Bezahlverfahren abgerechnet wird, muss der Inhaltsanbieter 30 Prozent der Erlöse an Apple abgeben und hat außerdem – und das ist der eigentliche Knackpunkt – kaum Zugriff auf die Kundendaten. Zudem behält sich Apple vor, darüber zu entscheiden, wer was im iNetz anbieten „darf“ und lässt sich auch ungern in die Karten schauen. Folglich gewährt er den Inhaltslieferanten nur spärliche Informationen über die Nutzung ihrer Anwendungen. Lediglich die lokale Verteilung ihrer Verkäufe können sie mittels iTunes Connect erkennen, dazu noch, wie die Anwendungen von den Kunden bewertet werden. Die soziographische Komponente aber, also welche Nutzergruppen welche Inhalte wie intensiv nutzen, behält Apple für sich. Und der Ausweg über externe Analysedienste wurde erst kürzlich mit einer Neufassung der Geschäftsbedingungen deutlich eingeschränkt.

Noch können die Inhaltsanbieter wählen, ob sie ihre Kundenkontakte über das Apple-Bezahlsystem abwickeln wollen oder über ein anderes, von ihnen gewähltes Verfahren. Diese Variante ist gerade für Verlage das eindeutig bessere Geschäftsmodell, denn so können sie ähnlich wie im Druckgeschäft eine Fülle verlässlicher Informationen über ihre Kunden sammeln.

Allerdings geht Apple bei dieser Lösung sowohl finanziell als auch informatorisch nahezu leer aus. Deshalb ist gesunde Skepsis angebracht, ob diese Verfahrensweise von Dauer sein wird. Das
Manager Magazin fasste es so zusammen: „Apple verspricht Schutz vor der Gratiskultur des Internets – und verlangt im Gegenzug totale Unterwerfung.“

Facebook

Aber – um den Nebel in Bezug auf die tatsächlichen wie potentiellen Kunden ein wenig zu lichten, gibt es ja noch Facebook. Immerhin tummeln sich dort zurzeit knapp zwölf Prozent der deutschen Bevölkerung, und schon längst wurde ein äußerst effektives, interessensbasiertem Werbesystem entwickelt. Es fußt auf einer gigantischen Such- und Analysefunktion. Dabei werden die Äußerungen der (weltweit rund 400 Millionen) Mitglieder gesammelt und ausgewertet. Und zwar sowohl die Mitteilungen im direkten Facebook-Bereich als auch solche bei Anbietern, die Facebook-Dienste in ihre Seiten eingebunden haben – beispielsweise bild-online.de. Und damit weiß Facebook mehr als die meisten anderen über die Nutzer, etwa Alter, Wohnort, Sprache, Gewohnheiten und Vorlieben.

Auf diese Weise bietet das Netzwerk den Verlagen – wie allen Gewerbetreibenden – ein recht weites Feld für Kunden-Analysen. Zudem ist ein eigenes Bezahlsystem im Aufbau, das seit Anfang 2010 auch von Drittanbietern genutzt werden kann.

Noch verhält sich die Firma moderat, ohne großes Auftrumpfen. Allerdings ist zu erwarten, dass das derzeit recht offenherzige Verhalten von Facebook deutlich zugeknöpfter und rigider werden könnte, sobald Werbe- und Bezahlsystem weltweit gut verankert sind und zudem der Prozentanteil der deutschen Mitglieder an Umfang und damit das Datenvolumen an Wert zunehmen wird. Was zu veränderten Geschäftsbedingungen reizen könnte.

Und möglicherweise auch noch zu einem großen Überraschungsstreich: Denn wenn Suchmaschinengigant Google sagen kann, welche Seiten im Netz wohin verlinkt sind und welche Suchergebnisse angeklickt werden, so kann Facebook herausfinden, wer gerade welche Vorlieben hat und welche bereits wieder abgelegt sind. Dadurch lässt sich ableiten, wofür es sich bei diesen Menschen zu werben lohnt.

Und gerade letzte Woche (02.07.2010) wurde im
Facebook-Blog ein neues Angebot vorgestellt. Es beweist, dass Angaben und Verhalten von Mitgliedern bzw. Nutzern ein wahrer Datenschatz sind, der sich noch mehrfach vergolden lässt. Um an die entsprechenden Aussagen zu kommen, wird jeder Neuankömmling außer nach Name, Alter und Wohnort auch nach Dingen gefragt, die ihm zusagen. Die Präferenzen lassen sich aus einer umfangreichen Vorschlagsliste heraussuchen und anklicken. Leichter lässt sich kaum an Basismaterial für Anzeigenkunden kommen. Da die Selbstauskünfte nicht personalisiert genutzt, sondern nur anonymisiert und pauschal weitergegeben werden – etwa alle, die vegetarisch und in Heidelberg leben sowie am selben Tag geboren wurden – fällt das Ganze auch nicht unter die Datenschutzbestimmungen.

Und Google?

Der weltumspannende Konzern gibt sich längst nicht mehr mit seiner nahezu genialen Suchmaschinenvermarktung zufrieden, sondern wirkt seit langem darauf hin, andere Erlösmodelle zu generieren. Obwohl das eigene Mobil-Betriebssystem Android auch Möglichkeiten für umfassende Bezahlsysteme bietet, scheint Google derzeit aber daran weniger interessiert zu sein. Die Entwicklung geht vielmehr in die Richtung neuer Werbeformen, die ähnlich erfolgreich und umfassend wie das Suchmaschinengeschäft werden sollen.

Dazu gehört der Einstieg in die aufstrebende Mobilwerbung ebenso wie die Vermarktung von Werbeflächen auf Partnerseiten. Durch maschinelle Textanalysen wird dabei versucht, die entsprechenden Anzeigen neben einem passenden, nicht kommerziellen Inhalt zu platzieren. Doch auch ohne werbegeschäftliche Beziehung zieht Google bekanntlich Inhalte von Drittanbietern in sein „Content-Network“, etwa auf seine Nachrichtenportale. Angeblich achtzig Prozent der weltweiten Internetgemeinde werden damit erreicht. Und das eben – siehe oben – sehr zum Verdruss, weil Nachteil von Verlagen. Denn sie sehen von den Werbeerlösen wenig bis nichts.

Relativ frisch sind interessenbasierte Werbeformen hinzugekommen. Ähnlich wie Facebook bietet nun auch Google Werbekunden „bewegliche“ Anzeigen an. Die Anzeige folgt dem Nutzer auf seinen Wegen durchs Netz, zu den Seiten, die eine entsprechende Abmachung mit Google getroffen haben. Durch Cookies erkennt Google die Wege und blendet auf den von den Nutzern besuchten Partnerseiten Widgets ein. Die entsprechenden Inhalte werden dabei nur durchgeleitet. Hat jemand beispielsweise den Internetauftritt eines kooperierenden Kosmetikhändlers besucht, ohne etwas zu kaufen, so wird die Anzeige des Händlers beim weiteren Gang durchs Netz auch auf allen ebenfalls vermarkteten Werbeflächen zu sehen sein. Dabei folgt das System offensichtlich nicht einer bestimmten Person, sondern definierten Rechnern und Browsern. Die entsprechenden Partnerseiten bekommen dabei vom Inhalt nichts mit – können also auch nichts abgreifen.

Qualitätsverlust als Kollateralschaden?

Sollte die gegenwärtige Entwicklung befestigen, dass die neuen Zwischenhändler für den Vertrieb von Bezahlinhalten die Kundenkontakte übernehmen und damit die für die Werbung so wichtigen Daten sammeln (und weitestgehend für sich behalten), so könnten die Verlage in nicht allzu ferner Zeit bei einem wichtigen Teil ihres Kerngeschäftes – dem Verkauf von Anzeigen und Medienprodukten – ganz auf das Wohlwollen der Netzgiganten angewiesen sein. Oder weiter im Nebel stochern.

Und die Frage, ob hohe Qualität und geringe Akzeptanz beim Leser bzw. Zuschauer kausal zusammenhängen – was „bei arte ja generell angenommen“ wird, wie RTL-Chefin Anke Schäferkordt beim diesjährigen Medienforum NRW süffisant ätzte – ist dann höchstens noch eine Frage des Kollateralschadens. Denn Verlage sind bekanntlich (noch?) nicht öffentlich-rechtlich finanziert. Aber immerhin kann der Feststellung von Norbert Schneider, dem scheidenden Leiter der Landesanstalt für Medien NRW, akzeptiert werden, dass Hartz IV keine Ausgründung von 9Live ist.

Leider kommt ein Aspekt in dieser Debatte kaum noch vor: Dass Autorinnen und Autoren, Journalistinnen und Journalisten zwar die eigentlichen Urheber der Inhalte und grundsätzlich auch deren Rechtehalter sind, aber von den Erlösen ihrer Werke herzlich wenig sehen. Immerhin waren es bislang die Verlage, die sich seit dem Beginn der Digitalisierung von Inhalten oft in unverhältnismäßiger Weise an deren Werken bereichert haben.

 

© Christa Tamara Kaul