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Was kann ich glauben?

 

Prüft alles und behaltet das Gute!
 

 

Von Christa Tamara Kaul  -  März 2025

 


Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Das sind die ersten drei der vier berühmten Fragen Immanuel Kants, die er in den 1780er Jahren stellte. Und im Grunde stehen wir heute wieder (oder noch immer) vor der nahezu gleichen Fragestellung. Was ganz besonders für die Kirche(n) gilt. Immer mehr der Menschen, die sich noch einer Kirche verbunden fühlen, erwarten zeitgerechte Antworten auf diese ethischen und existentiellen Fragen – und ein Loslassen der kirchlichen Institutionen von überkommenen Lehren und Strukturen.
 


Dass das so ist, liegt auch und besonders an dem Gottes- und Weltbild, das – auch im Christentum – immer noch weitgehend auf alttestamentarischen Vorlagen beruht. Und die sind geprägt durch die in ihrer Entstehungszeit, dem ersten Jahrtausend vor Christus, typischen vorderasiatischen Herrscherfiguren. Ihnen wurde mit Pomp, Blumenteppichen und Jubelchören gehuldigt. Aus den sprichwörtlichen Jubelpersern sind im Alten Testament dann die Seraphine und Cherubine geworden, die ihrem Herrscher, also Gott, mit ihrem Huldigungen „ohn Unterlass“ die Ehre erweisen. Doch in unserer (natur-)wissenschaftlich basierten Zeit können die meisten Menschen mit einer solchen Typisierung Gottes nicht mehr viel anfangen, auch wenn diese Typisierung durch das von Jesus begründete Vaterbild bereits variiert wurde. Kosmologie, Biologie und Neurowissenschaften haben viele Fragen beantwortet, die früher nur durch religiöse Erklärungen greifbar schienen. Und mittlerweile ist das, was seit längerem bereits von etlichen Theologen diskutiert wird, auch in einigen offiziellen Führungskreisen angekommen.

So weist der hier schon mehrfach zitierte Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, immer wieder auf die Dringlichkeit einer Änderung unser Gottesverständnisses hin. „Unser Sprechen von Gott wird sich verändern müssen, dringend… Wir tun ja als Kirche immer noch so, als wüssten wir eindeutig, wie Gott ist und was er von uns erwartet. Doch in weiten Teilen haben unsere Bilder von Gott und unser Reden über ihn den Anschluss an das Wissen unserer Zeit verloren.“ Genau das ist eine, wenn nicht sogar die zentrale Herausforderung für die Kirche(n): die Notwendigkeit, den Glauben an neue Erkenntnisse und gesellschaftliche Entwicklungen unserer Zeit anzupassen, ohne dabei seine essenzielle Bedeutung zu verlieren. Diesbezügliche Ansätze und - teilweise widersprüchliche – theologische Konzepte gibt es längst.

Hans Küng, einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts, betonte schon in seinem 1974 erschienenen Werk „Christ sein“, dass der Glaube nicht in Dogmen erstarren darf, sondern sich an Jesus selbst orientieren muss. Er forderte eine Theologie, die sich auf den ursprünglichen Kern des Christentums konzentriert: Nächstenliebe, Gerechtigkeit und eine lebendige, offene Glaubenspraxis. Was durchaus auch einschließt, dass Jesu Vorbildfunktion und überlieferte Lehre sogar dann ihre Gültigkeit besäßen und behielten, wenn er auf sein Menschsein reduziert würde.

So wie etwa der Philosoph und Theologe Christoph Türcke in seinen Werken immer wieder die Frage stellt, warum Jesus nicht einfach als außergewöhnlicher Mensch gesehen werden kann – statt als Gottes Sohn. Er argumentiert, dass die Vorstellung von Jesus als Gottes Sohn eher eine Konstruktion kirchlicher Dogmen sei. Historisch betrachtet sei er viel eher als radikaler ethischer Lehrer und gesellschaftskritischer Prophet zu sehen und zu verstehen.

Teufel, Sünde, Schuld, das Böse – diese einerseits in der offiziellen Lehre so stark verankerten, andererseits vielen Menschen so weitgehend fremd gewordenen Begriffe – was bedeuten sie überhaupt noch? „In der Geschichte haben die christlichen Kirchen das Böse oft als individuelle Schuld oder moralisches Versagen definiert. Dabei haben sie das strukturelle Böse wie soziale Ungerechtigkeit, Missbrauch, Gewalt und Krieg nicht nur übersehen, sondern zum Teil sogar legitimiert“, so der amerikanische Franziskanerpater Richard Rohr. Reife Religion dagegen müsse anleiten, die vielen Verkleidungen des Bösen zu durchschauen. Was besonders mit Kontemplation und vergebender Liebe erreicht werden könne. Womit Rohr in eine Richtung weist, bei der die Mystik und eine nicht-dualistische Gotteserfahrung von Bedeutung sind.

Und hier findet er sich im Hinblick auf die Mystik, die von Anfang an zum Christentum gehörte und im späten Mittelalter eine erste Blüte erlebte, durchaus in der Nachfolge des großen Theologen Karl Rahner, der den (umstrittenen) Begriff des „anonymen Christen“ prägte und schon vor über sechzig Jahren argumentierte, dass sich das Christentum in einer neuen Epoche befinde und daher Glaubensformen neu gedacht werden müssten. Auch deshalb, weil viele Menschen sich mehr nach eigenen spirituellen Erfahrungen sehnten. Bereits 1966 schrieb er: "Der Fromme von morgen wird ein 'Mystiker' sein, einer, der etwas 'erfahren' hat, oder er wird nicht mehr sein." Dieser viel zitierte Satz war nicht nur Weckruf zu einer „anthropozentrischen Wende“ der Theologie. Er spiegelt auch das Bedürfnis vieler Zeitgenossen nach einer jenseits der Kirchen verorteten spirituellen Urkraft.

Vor allem aber setzt sich auch bei vielen den Kirchen noch verbundenen Gläubigen immer mehr die Überzeugung durch, dass ein „interventionistisches“ Handeln Gottes in der Welt, also ein aktives Eingreifen in das Weltgeschehen, nicht gegeben ist. Und, wie etwa der Theologe Christoph Böttigheimer darlegt, auch theologisch nicht zu begründen ist. Selbst ein Bittgebet zielt demnach nicht auf ein direktes Eingreifen Gottes als vielmehr darauf ab, die Betenden auf Gott hin auszurichten. Und diese Ausrichtung kann dann durchaus durch entsprechendes Handeln zu einem zufrieden stellenden Ergebnis führen. Ein Handeln der „mystischen und politischen Theologie“, wie es die Theologin Dorothee Sölle forderte, das Spiritualität mit sozialem Engagement verbindet. So wie auch der Theologe Jürgen Moltmann in seiner „Theologie der Hoffnung“ eine wesentlich stärkere Bedeutung von sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortlichkeit im christlichen Glauben anmahnt. Was alles letztendlich aber heißt, dass die Menschen für das Wohl und Wehe der Welt selbst zuständig und allein verantwortlich sind.

Der traditionelle Glaube und die kirchlichen Dogmen mit ihren scheinbar unverrückbaren Wahrheiten gehen in ihrer derzeitigen Form wohl mehr oder minder ihrem Ende entgegen. Bischof Bätzings Appell, das Sprechen über Gott zu verändern, ist eine fundamentale, längst überfällige Richtungsweisung von „offizieller“ Seite. Und wie hier mit wenigen Beispielen kurz skizziert, gibt es längst ernst zu nehmende, wenn auch teilweise unterschiedliche Überlegungen, dass und wie es weitergehen könnte. Ganz abgesehen von dem, was uns die KI demnächst wahrscheinlich noch bieten wird. Es gilt auch hier und heute: Prüft alles und behaltet das Gute! (Paulus, 1 Thess 5,21). Die philosophische Perspektive Kants zeigt zudem, dass der Glaube nicht nur eine religiöse, sondern auch eine existenzielle Frage ist. Von den berühmten vier Fragen Kants ist besonders die dritte – Was darf ich hoffen? – eng mit der religiösen Dimension verbunden. Dabei kommt Kant zu dem Schluss, dass der Mensch zwar keine absolute Gewissheit über das Göttliche haben kann, aber dennoch eine begründete Hoffnung auf moralische Sinnhaftigkeit und eine höhere Ordnung hegen darf. Dass also Glaube und Vernunft sich gegenseitig ergänzen können.

 

Foto oben (ohne Schrift): Pfarrbriefservice

 

siehe auch: ImTeam Nr.49

 

© Christa Tamara Kaul