|
|
::Adressen |
|||||||
|
|
|
|
Die Würde des Tieres ist unantastbar
oder: Vom Elend der Anthropozentrik
Christa Tamara Kaul - November 2017
Das Verhältnis von Mensch und Tier ist so alt wie die Menschheit selbst: Es ist die älteste Beziehung, die der Mensch kennt. Doch es ist eine verhängnisvolle, ja großenteils grauenvolle Affäre – aus Sicht der Tiere. Sie hat ihnen unsägliches Leid gebracht und bringt es weiterhin. Und wir tragen fast alle täglich dazu bei.
"Es gibt zwei Kategorien von
Tieren. Die eine glaubt,
dass es zwei Kategorien von Tieren gibt, und die andere hat darunter
zu leiden." So beginnt Richard David Precht sein Buch „Tiere
denken“. Umgangssprachlich ist oft davon die Rede, dass jemand wie
ein Tier behandelt werde, wenn dieser Mensch durch seine Artgenossen
besonders zu leiden hat. Diese wenigen Worte fassen so ziemlich das
ganze Elend der Anthropozentrik, der uns meist geläufigen
Vorstellung vom Mensch-Tier-Verhältnis, komprimiert zusammen. Dabei
ist das Verhalten sehr vieler Menschen hochgradig schizophren: hier
ein paar verhätschelte Haustiere, dort die Masse der überwiegaend
tierquälerisch ausgebeuteten und geschundenen Nutz- und
Versuchstiere. Doch dieser skandalöse Zustand lässt sich spätestens
in unserer Zeit aufgrund der Erkenntnisse sowohl der
Naturwissenschaften als auch der Sozialwissenschaften und selbst der
Theologie in keiner Weise mehr rechtfertigen.
Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553) Werkstatt: St. Hieronymus, der Übersetzer der „Vulgata“, behandelt einen verletzten Löwen, mit dem er dann zusammen lebte, Landesmuseum Mainz
Das Institut für Theologische
Zoologie (ITZ) (http://www.theologische-zoologie.de/)
an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster ist so ein
Leuchtturm. Das Ziel dieses 2009 von dem katholischen Priester und
Biologen Dr. Rainer Hagencord gegründeten Instituts, das unter der
Schirmherrschaft der Schimpansenforscherin und
UN-Friedensbotschafterin Jane Goodall steht, ist eine ethische und
theologische Auseinandersetzung mit Fragen der Tierforschung,
Verhaltensbiologie und Evolutionstheorie. Hagencord appelliert an
alle Christen, ihr Verhalten zu überdenken. Denn Tiere seien weder
als seelenlose Automaten, wie unheilvollerweise von René Descartes
(1595–1650) behauptet, noch als bessere Menschen zu sehen, sondern
schlicht und unleugbar als Mitgeschöpfe eigener Art. Dabei sieht
Hagencord sich durch Papst Franziskus bestärkt, der in der
Umwelt-Enzyklika "Laudato si" (2015) die „große anthropozentrische
Maßlosigkeit“ anprangert, die den Eindruck erwecke, dass die Sorge
für die Natur eine Sache der Schwachen wäre.
diesem
System nur die Fleisch- und die Pharmaindustrie dumm und dämlich
verdienen. Alle anderen verlieren: die Landwirte, der Boden, das
Grundwasser, die Artenvielfalt“ – und allen voran eben die Tiere.
Zudem schuften in deutschen Schlachthöfen Arbeitsmigranten unter
schlimmsten Bedingungen wie Erpressung und Schlägen, was sich
logischerweise zusätzlich auf die Behandlung der ohnehin schon
geschundenen Tiere auswirkt. Wirklich neu ist das alles nicht.
Bereits 1989 verabschiedeten die Deutsche Bischofskonferenz und der
Rat der EKD gemeinsam die – allerdings wenig beachtete – Erklärung
"Gott ist ein Freund des Lebens", in der es u.a. heißt: "Die Werke
des lebendig machenden Geistes sind Liebe, Friede, Güte, Treue,
Sanftmut, Gerechtigkeit (Galater 5,22f; Epheser 5,9), die sich im
Umgang mit allem Lebendigen bewähren müssen. Darum heißt es auch im
Alten Testament über das Verhältnis des Menschen zum Tier: ‘Der
Gerechte weiß, was sein Vieh braucht, doch das Herz der Frevler ist
hart.’ (Sprüche 12,10)." Deshalb braucht es immer wieder „Gerechte“
– wie das Pfarrerehepaar Christa und Michael Blanke.
In dem Maß, in dem der Mensch die
Würde des Tieres verletzt, verliert er seine eigene.
(Dieser Beitrag ist zuerst in der ökumenischen Zeitschrift IM TEAM (2/2017) erschienen.)
|
© Christa Tamara Kaul