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Christa Wolf: Leibhaftig Erzählung, 2002, Luchterhand Literaturverlag, gebunden, ISBN 3-630-87112-7
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Kassandra - angekommen im Heute
Christa Wolf: Leibhaftig
Von Christa Tamara Kaul - 2002
Christa T., Protagonistin von Wolfs Roman, der ihren Weltruhm begründete, ist bekanntermaßen nicht an ihrer Krankheit zugrunde gegangen, sondern an den fundamentalen Gebrechen der DDR. Ganz ähnlich ist es bei Kassandra und Medea, auch sie haben sich an den jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen und staatlichen Verhältnissen zu Tode gerieben. Sechs Jahre nach »Medea. Stimmen« hat Christa Wolf mit "Leibhaftig" abermals eine Erzählung veröffentlicht, in der es um den Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft geht. Er manifestiert sich im Leiden einer lebensbedrohlich erkrankten Frau. Allerdings nun nicht mehr in einem antiken Szenario, sondern wieder im zeitgeschichtlichen Rahmen - in den letzten Jahren der zusammenbrechenden DDR.
Die namenlose Hauptperson führt einen Kampf auf Leben und Tod, denn ihr körperliches Immunsystem streikt ebenso wie ihre Psyche. Lange suchen die Ärzte ohne Erfolg nach den Ursachen. Seelischer, körperlicher und gesellschaftlicher Zusammenbruch gehen Hand in Hand und entziehen sich weitgehend heilendem Zugriff von außen. Der Begriff 'Zusammenbruch' nimmt eine zentrale Funktion ein. Quälende Träume aus eigener unbewältigter Vergangenheit und der ihrer geschundenen Stadt Berlin nähren ihre Existenzkrise. Schließlich jedoch vermag menschliche Nähe ihr Kraft und den Wunsch zum Leben zurück zu geben.
Christa Wolf gewährt diese Einblicke in die Grenzbezirke menschlichen Daseins mit der ihr eigenen bezwingenden Sprache, ohne jedoch jemals verbal zu dramatisieren. Nüchtern, präzise, im leichten Erzählton, fast lakonisch werden Erfahrungen aus dem Inneren eines kranken menschlichen Körpers und dem zunehmend verfallenden Staatskörper DDR, die fast wie kommunizierende Röhren aneinander hängen, mitgeteilt. Und auch wenn der Leser streckenweise Zeuge eines Todeskampfes wird - den die Frau dann doch überlebt - so ist die Lektüre alles andere als eine Qual. Im Gegenteil: den Leser bindend, denkanstößig, mit immer wieder erstaunenden Assoziationen und geradezu seismographischen Satzkompositionen bis zur letzten Zeile.
Ausführliche Rezension auf Anfrage!
Wenn wirklich Not am Mann sei, würden Devisen aus einem Sonderfonds lockergemacht. Das müssen wir an anderer Stelle wieder einsparen. Und wissen Sie, was dabei rauskommt? Wir alle werden Weltmeister im Improvisieren. Die Kollegen, die hier weggehen, erregen drüben Aufsehen mit ihrer Kunst, aus Dreck Gold zu machen. Wie die arme Müllerstochter im Märchen, sagt sie. ....................... Spät am Abend fragt sie Kora Bachmann, ob sie wisse, dass der Schmerz, den man bei einem Verlust empfinde, das Maß sei für die Hoffnung, die man vorher gehabt habe. Der Spur der Schmerzen nachgehen, sage ich zu ihr, ungewappnet, das wäre der Mühe wert. Das wäre des Lebens wert.
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© Christa Tamara Kaul