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Günther Uecker: GRAPHEIN - Schreiben — Malen — Zeichnen
Dokumentation der großformatigen Portofolios, Chorus Verlag, München, 2002 Hardcover, ISBN 3-931876-46-2

18 Euro 

 

 

Als die Worte sichtbar wurden

 

 

Günther Uecker: GRAPHEIN - Schreiben - Malen - Zeichnen

 

 

Von Christa Tamara Kaul    -     2002

 

 

Am Anfang war das Wort. Das Immerwährende. So bezeugt es Johannes im Prolog seines Evangeliums. Und am Anfang der Menschheitsgeschichte standen Wörter. Sie trennten als Sprache die Menschen von den Tieren. Und diese Wörter drängten mit der Zeit dazu, sichtbar zu werden, materiell manifestiert zu überdauern, Schrift zu werden. Erstmals geschah dies nach heutigem Erkenntnisstand im 15. Jahrhundert v. Chr., als sich die sogenannten proto-semitischen Schriftstile entwickelten. Die darauf basierende phönizische Schrift mit 22 Konsonantenzeichen, zwischen dem 13. und 11. Jahrhundert v. Chr. entstanden, wurde dann zur "Mutter" fast aller folgenden alphabetischen Systeme, und zwar transportiert über das sich zwischen dem 10. und 8. Jahrhundert v. Chr. herausbildende Aramäische, der über Jahrhunderte vorherrschenden Sprache des vorderen und mittleren Orients, die auch Jesus von Nazareth gesprochen und geschrieben hat.  

 

Betrachtet man die frühen Zeichen manifestierter menschlicher Sprache, wird erkennbar, dass das Schreiben in seinen Anfängen sehr stark vom Malen und Zeichnen geprägt war, dass die Übergänge fließend waren. Und das altgriechische Wort Graphein -Grafein- umfasst in seiner Bedeutung noch alle drei Begriffe, die später in modernen Sprachen unterschieden werden: schreiben, malen, zeichnen. Ganz vergessen wurde diese gemeinsame Wurzel aber nicht, wie beispielsweise ein Zitat des Malers Paul Klee aus dem 20. Jahrhundert zeigt: "Schreiben und Zeichnen sind ein und dasselbe."

 

Dieser Ursprung ist es, der die Idee von Gegenüber-Stellung und Wieder-Zusammenführung von Schrift-Wort und Graphik wachsen ließ und schließlich im Frühjahr 2002 zu einer 42-teiligen großformatigen Buch-Mappe führte, in der Günther Uecker sich künstlerisch mit frühen kalligraphischen Ausformungen verschiedener Schriftkulturen auseinandersetzt. Das Konzept, entwickelt von Edouard Weiss und Dorothea van der Koelen, beruht auf einer Zusammenstellung alter Schriftzeugnisse, die von den Anfängen der mesopotamischen Keilschriften über Textbeispiele aus den aramäischen, hebräischen, griechischen, lateinischen und koptischen Kulturkreisen  bis zu Auszügen aus alten tibetanischen, arabischen und kyrillischen (oder genauer: altkirchenslawischen) Texten reicht. Mit diesen frühen Dokumenten menschlicher Geistesgeschichte tritt Günther Uecker in eine spannende schöpferische Korrespondenz, indem er den strengen Formationen der alten Zeichen und Buchstaben die ihm eigene beschwingte Choreographie der durch Nagelköpfe gedrückten, leicht kugelförmigen Prägepunkte gegenüberstellt. Weiße Bewegungsstrukturen auf weißem Grund. Bisweilen Rhythmen, wie von Wind oder Wasser erzeugt.

 

Nicht immer ist die Auswahl der historischen Quelltexte stringent nachvollziehbar, beispielsweise wenn dem Kapitel zur aramäischen Schrift als deutscher Text der Prolog des Johannesevangeliums zugeordnet wird. Denn der Urtext dieses Evangeliums ist bekanntlich in Griechisch verfasst. Doch beeinträchtigt das den Reiz der Korrespondenz zwischen historischem Sprachbild und zeitgenössischer Graphik nicht ursächlich, denn das Wesentliche dieses Werkes liegt nicht so sehr in Übersetzungen und Erklärungen (des Anhangs), wiewohl diese dem Informationsdrang des Betrachters entgegen kommen, sondern im visuell intuitiven Element. Nicht "wortwörtlich" müssen Inhalt und Aussage erfasst werden. Die Kompositionen der Schriftzeichen, ihr Duktus, ihre formale Melodie - auch das, was zwischen und hinter den Zeichen und Worten steht - das ist es, was gilt. Es birgt Schönheit und Weisheit und manchmal auch Magie. Und darauf antwortet Günther Uecker.

 

Ausführliche Rezension auf Anfrage!

 

 

Textauszug:  (Aus dem Vorwort von Christoph Brockhaus) Auch wenn wir die Schrift oft nicht lesen und verstehen können, lassen wir uns von diesen Schriftbildern in ihren Bann ziehen, lassen uns verzaubern, spüren in jedem einzelnen Schriftzeichen Bedeutung, Geheimnis, Würde. Schrift, von zahlreichen Künstlern der Moderne in ihren Kompositionen integriert, gerät hier zum Numinosen, Unfassbaren. Ihre Betrachtung führt uns zum göttlichen Ursprung zurück. Und so könnte es geschehen, dass wir mit Jean Tardieu sogar erkennen; " Der Abstand zwischen den Zeichen der Schrift, das ist nicht nur das Weiß der Seite oder die Körnung des Steins, das ist auch der Raum, vielleicht der Tag oder die Nacht."

 

Autorenportrait:  (In Auszügen): Günther Uecker wurde am 13. März 1930 in Wendorf (Mecklenburg) geboren und verbrachte Kindheit und Jugend auf der Halbinsel Wustrowgeboren. 1949-1953 Studium der Malerei in Wismar und an der Kunstakademie Berlin-Weißensee, 1955-1958 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf. Bis etwa 1954 waren seine Arbeiten figurative Tafelbilder, Plastiken und Holzschnitte. Aber er war mit seinen Ergebnissen unzufrieden und begann, sie zu "dekonstruieren", indem er sie "vernagelte". Damit brach er nicht nur mit der sogenannten bürgerlichen Kunst, sondern erfand zugleich eine neue künstlerische Technik. 

 

Seine weitere Suche nach dem adäquaten künstlerischen Ausdruck führte ihn Ende der 50er Jahre zur Gruppe "Zero", deren Anliegen der Neubeginn vom Nullpunkt war. Yves Klein, mit dem er befreundet war und an dem ihn die rituelle Einheit von Kunst und Leben faszinierte, hatte ihn mit den anderen bekannten "Zero"-Künstlern – Piene, Mack und Fontana – zusammengebracht. Weder die abstrakte Kunst (z.B. Mondrian), noch das Informel der 50er und 60er Jahre interessierten ihn, sondern er fand seine Wurzeln eher im Konstruktivismus eines Malewitsch. Darauf aufbauend entstanden die Kinetik und das Spiel mit dem Licht.

 

Seine Nagelrhythmen haben Uecker Weltruhm beschert. Ihn interessierte anfänglich allerdings weniger das Material selbst, der Nagel, sondern der Zwischenraum, das Spiel mit Licht und Schatten, das Unbekannte, das Gesuchte, die Phantasie. In der "Zero"-Zeit hilft der Nagel, Lichtphänomene zu artikulieren. In seinen "Nagelfeldzügen" in dem alltäglichen Wohnbereich, bei denen er Waschmaschinen, Fernseher, Lampen, Tische und Stühle "vernagelte", versuchte er das Unbekannte einzukreisen, Freiräume für Phantasie zu schaffen. Am Anfang war es der "Zustand Weiß", der ihn interessierte – alle Nagelobjekte waren weiß. Erst später kommt der Nagel unkaschiert in seiner Materialhaftigkeit zu einem eigenen Wert.

 

In seinen neueren Arbeiten reagiert er auf politische Ereignisse, z.B. die Ausstellung "Der geschundene Mensch". 1999 gestaltete er den Andachtsraum im Berliner Reichstag als eine auf die großen Weltregionen erweiterte Ökumene. Er lebt und arbeitet in Düsseldorf.    >> zurück zum Anfang

 

 

Günther Uecker: GRAPHEIN - Schreiben — Malen — Zeichnen

42-teiliges Portofolio mit zwölf signierten, nummerierten Prägedrucken von Günther Uecker, Format 70 x 50 cm, Auflage 120 Exemplare, Galerie Dorothea van der Koelen, Mainz, 18.000 Euro

 

Günther Uecker: GRAPHEIN - Schreiben — Malen — Zeichnen
Dokumentation der großformatigen Portofolios, Chorus Verlag, München, 2002, Hardcover, ISBN 3-931876-46-2, 18 Euro

 

www.chorus-verlag.de

 

 

 

 

© Christa Tamara Kaul