eigen art 2016
Wenn Intuition und Konstruktion
sich
im neugotischen Kirchenraum
begegnen
Christa Tamara Kaul
Rede
anlässlich der Ausstellungseröffnung am 19. August 2016
Die Kunstausstellung "eigen art 2016" könnte unter dem
Motto stehen „Farbe trifft auf Form – Intuition auf
Konstruktion“. Es geht also – wie bereits in
den beiden vergangenen Jahren – um die Präsentation
verschiedener künstlerischer Positionen. Und die könnten dieses
Jahr kaum unterschiedlicher sein: Die Kunst von Dagmar Dost-Nolden versteht sich vorrangig als intuitive
Sichtbarmachung universaler Energie – und zwar mit Hilfe von
Farbe. Herbert Höckys Werke dagegen beruhen auf rationaler
Planung und mathematisch präziser Konstruktion, sie zeigen
sozusagen klare Kante. Doch die beiden Positionen müssen nicht
nur selbst in ihrer Identität überzeugen, sondern darüber hinaus
der prächtigen Neugotik des Kirchenraums standhalten. Eine
Herausforderung also!
Der Maler Paul Klee (1879-1940) sah das Wesen der Kunst darin,
das Unsichtbare sichtbar zu machen. Und genau an diesem Punkt
treffen sich Kunst und Religion, wobei die Realisierung dieser
Absicht sich im Laufe der Jahrhunderte sowohl bei der Kunst als
auch bei der Religion deutlich gewandelt hat.
Schon der erste Blick auf die hier gezeigten Werke
von Dagmar Dost-Nolden und Herbert Höcky macht klar: Hier kommt
der Farbe eine entscheidende Rolle zu, allerdings mit
gegensätzlicher Zielsetzung, wie wir gleich sehen werden.
Wenn in der tagtäglichen Flut visueller Reize, denen wir
ausgesetzt sind – etwa Verkehrsschildern, Reklametafeln oder
auch der Kleidung anderer Menschen – wenn davon, bewusst oder
unterbewusst, etwas bei uns hängen bleibt, dann spielt der
Faktor Farbe in den meisten Fällen eine wichtige, wenn nicht
sogar die entscheidende Rolle. Farben führen und verführen uns.
Und im Gegensatz zur Schrift werden Farben auch von den meisten
Menschen intuitiv „verstanden“.
Denn Farben erreichen uns über unsere Sinne, direkt
im limbischen System und
ohne Umweg über den Frontalen Kortex. Sie sind immateriell, denn
sie beruhen auf Wellen des Lichtspektrums. Das, was wir so
landläufig – etwa beim Malen – als Farbe bezeichnen, ist
korrekterweise als Farbstoffe zu bezeichnen. Es sind diverse Arten
von Materie, die das Licht unterschiedlich reflektieren. Da
Farbe an sich also keine physikalische Eigenschaft ist, sondern
eine Sinnesempfindung, die mit physikalischen Größen verknüpft
ist, gehören zur Wahrnehmung auch die entsprechende Verarbeitung
in Auge und Gehirn. Die allerdings muss nicht zwangsläufig bei
allen Menschen identisch sein.
DAGMAR DOST-NOLDEN
Unübersehbar spielt bei den hier gezeigten Werken von Dagmar
Dost-Nolden Farbe die absolute Hauptrolle. Sie selbst formuliert
es so: „Es ist bekannt, dass die Farben eine energetische
Angelegenheit sind. Verschiedene Wellenlängen ergeben
verschiedene Farben. Der Mensch, so wie alles andere auch, ist
nur ein Teil von frei fließender Energie, die das ganze
Universum formt… Ich will der Energie eine feste, visuelle Form
geben. Es sollte strömen, wirken, Gedanken und Emotionen
aufrufen oder anregen. Es soll an das Universum und an uns als
einen kleinen unbedeutenden Teil davon erinnern. Es sollte auch
an die Vielfalt der Welt hindeuten und dabei das große Geschenk
des Lebens würdigen und feiern.“
Da Energie im Mittelpunkt des Interesses von Dagmar Dost-Nolden
steht, heißt das auch, dass es um Dynamik und ständige
Veränderung geht und um die zu entdeckenden Möglichkeiten neuer
Entwicklungen. Sie sagt dazu, „Dies kann man etwa bei Wolken und
Bäumen im Wind beobachten. Das konzentrierte Beobachten hat
etwas Meditatives in sich. Man kommt dabei zu sich, horcht in
sich hinein, Gedanken entwickeln sich. ….Und
als ich irgendwann gemerkt habe, dass mein Thema eigentlich die
Energie ist, die verwandelbare, ewige Energie in Ihren
verschiedensten Formen, da eröffnete sich auch die Faszination
des Raumes. Die Energie strömt frei, lässt sich nicht in einem
Bilder-Rahmen zusammenhalten. So wollte auch ich die Begrenzung
des Rahmens durchbrechen um weiter in den Raum zu gehen. Malerei
als räumliche Kunst.“
Dieses Credo
der Künstlerin findet in der aktuellen Königsdorfer Ausstellung
seinen überzeugenden Ausdruck. Der geistige Raum ihrer
Arbeiten verwandelt sich
in diesem Sinn in einen physikalischen Raum.
HERBERT HÖCKY
Auch Herbert Höcky setzt Farbe ein, allerdings nur eine einzige
und das mit völlig anderer Zielrichtung. Er setzt ausschließlich
auf Weiß – physikalisch gesehen die Summe aller Farben, die
jeden einzelnen Farbton auslöscht. Und auch das vermittelt eine
Botschaft: nämlich die, dass es ihm auf die reine Form ankommt,
dass nichts von der reinen Form ablenken soll. Der Gestalt
seiner Werke soll die volle Aufmerksamkeit garantiert bleiben
und deren Wirkung durch das sanfte Spiel von Licht und Schatten
mit den Konturen seiner frei im Raum stehenden Skulpturen
unbeeinträchtigt bleiben. Allerdings, auch wenn Form und Gestalt
die Substanz seines Schaffens sind, so doch ohne Erstarrung.
Denn seine aus geometrischen Grundformen zusammengesetzten
abstrakten Figuren greifen zwar klassische Formate wie etwa
Pyramide, Rhombus oder Würfel auf und sind mit hoher Präzision
gefertigt, doch sie können spielerisch bewegt werden. Sie sind nicht
fest montiert und lassen sich auseinander nehmen und zu immer
neuen Formen zusammensetzen. Diese Herangehensweise brachte
Herbert Höcky auch schon den Ruf eines spielerischen Puristen
unter den Bildhauern ein. Er selbst sagt dazu:
Alle Fotos: Christa
Tamara Kaul
„Meine Skulpturen sind rein konstruktivistisch. Die Elemente
arbeite ich in gebogenen und geraden Formen und immer in der
Farbe weiß. Durch die gegensätzliche Formgebung und eine
berechnete Anordnung sowie die feinen Tonabstufungen von weiß im
Spiel von Licht und Schatten möchte ich ein Spannungsfeld
erzeugen, dass sich in seiner lebendigen Dynamik dem Betrachter
immer mehr offenbart, je öfter er seinen Standort wechselt. Da
ich meine Plastiken immer im freien Raum aufbaue, können diese
von allen Seiten umgangen werden.“ Und so kann der Betrachter
Aufbau, künstlerische Konzeption und die hell-dunklen und
warm-kalten Kontraste aus allen Blickwinkeln erleben und
reflektieren.
Die hier gezeigten höchst unterschiedlichen künstlerischen
Positionen im Umfeld des neugotischen Kirchenraumes stellen
- wie eingangs gesagt - tatsächlich eine visuelle
Herausforderung dar. Aber eine bestens gemeisterte, bei der
keine der Positionen die andere übertrumpft. Sie begegnen sich
alle sozusagen auf Augenhöhe. Und schenken uns gerade wegen ihrer grundsätzlich
unterschiedlichen Sicht- und Arbeitsweisen eine spannungsreiche
visuelle Erfahrung. Das Ergebnis: ein neues, faszinierendes
Raumerlebnis.
Ausstellung eigen art 2016
19. bis 28. August 2016
KunstRaum St. Sebastianus, Aachener Str. 562, (schräg gegenüber dem
S-Bahnhof,
Haltestelle Frechen-Königsdorf), 50226 Frechen-Königsdorf